BDVI-Regionalgruppe auf Exkursion
Die WGFV traf sich gemeinsam mit der bdvi-Regionalgruppe Südost zum Besuch der Wellpappen- und Kartonagen-GmbH in Sebnitz, einem traditionsreichen Ort der sächsischen Papierherstellung und nutzte danach die Gelegenheit, sich im Museum der Kleinstadt eine Sonderausstellung über die Erfindung des Holzschliffs als der Grundlage der industriellen Papiererzeugung anzusehen.
Sachsens erste Papierfabrik mit industrieller Massenfertigung entstand 1871 in Sebnitz. Ihre Blütezeit war um 1920. Damals verließen täglich bis zu 17 Eisenbahnwagen mit Papier das Werk. Exportiert wurde innerhalb Europas und in die USA. Nach dem II. Weltkrieg wurden die Maschinen demontiert und nach Russland gesandt.
Heute hat im gleichen Gewerbegebiet die Sebnitzer Wellpappen- und Kartonagen-GmbH (WEKA) ihren Hauptsitz. Dort empfing uns Andreas Letzel, einer der beiden Geschäftsführer und gab uns einen Einblick in das Unternehmen, das ebenfalls auf eine lange Historie zurückblicken kann. Es wurde 1884 in Sebnitz gegründet und produzierte von 1911 bis 2003 in der Innenstadt. Nach der Enteignung 1945 erfolgte die Umwandlung in einen Volkseigenen Betrieb, der 1990 von der Eigentümerfamilie wieder erworben wurde. Als es am alten Standort zu eng wurde, errichtete WEKA einen Neubau, der inzwischen allerdings bereits nicht mehr ausreicht, so dass 2019 eine Erweiterung geplant ist.
Wellpappe erzeugte das Werk ab 1936, die von der damals in Sebnitz dominierenden Kunstblumenindustrie und anderen expandierenden Zweigen dringend benötigt wurde. Heute werden am neuen Standort mit 35 Beschäftigten, davon zwei Mitarbeitern in FuE, ein- bis dreiwellige Formate bis zur maximalen Größe von 6m x 2,50m im Kundenauftrag verarbeitet. Hauptabnehmer sind Maschinenbaufirmen, Automobilzulieferer, Elektronikhersteller, die im Wesentlichen in den östlichen Bundesländern und im angrenzenden Ausland angesiedelt sind. Das breit gefächerte Sortiment reicht von kleinen bedruckten Faltschachteln aus Karton bis zuVerpackungen aus nassfest verleimter dreiwelliger Wellpappe für den Überseeversand und auch Vollpappeverpackungen, die allerdings nur einen Mengenanteil von unter 10 Prozent aufweisen. Die Spezialaufträge für Verpackungen aus Vollpappe und Karton werden noch am alten Standort bearbeitet.
Eine besondere Stärke von WEKA ist die Just-in-time-Lieferung von Großverpackungen. Auch Gefahrgutverpackungen werden in enger Zusammenarbeit mit Mondi Wellpappe Ansbach als dem Hersteller der Schwerwellpappe und Träger der Gefahrgutzertifizierungen gefertigt. Weitere Zulieferer sind Prowell, ein Unternehmen der Progroup AG, u. a. Karton- und Pappenhersteller. Zur Weiterverarbeitung stehen moderne flexible Anlagen wie der Boxmaker SRE maximit Druckwerk, einDruckslotterKIRBY FPS mit Flexodruckwerk, zwei Stanztiegel und eine Rollenstanze, eine Stegschlitzmaschine, diverse Verschlussmaschinen zum Heften, Kleben und Tapen, Kreisscheren sowie eine Ballenpresse zur Verfügung. Ein moderner Plotter für die Verpackungsentwicklung und den Musterbau runden den Maschinenpark ab.Werkseigene LKWs und Kleintransporter beliefern täglich die Kunden in der Region. Weitere Strecken werden mit Stückgut oder Speditionsfirmen abgedeckt. Damit ist WEKA gut gerüstet, umweltgerechte Verpackungen, die zu 90 Prozent aus Altpapier bestehen, in guter Qualität und in zunehmendem Maße auch den Ansprüchenan Form und Design entsprechend anzubieten.
Die Teilnehmer, die nach dem Besuch eines so traditionsträchtigen Standortes neugierig auf die Anfänge der Papierproduktion geworden waren, nutzten die Gelegenheit, sich in einer Sonderausstellung des Sebnitzer Museums zur Erfindung des Holzschliffes als einer wichtigen Grundlage für die Massenproduktion von Papierrohstoffen zu informieren.
Bis zum 4. Jahrtausend v. Chr. wurden wichtige Aufzeichnungen in Stein, Ton, Knochen oder andere Materialien gemeißelt. Erst danach gewannen die Ägypter aus Papyrus einen Stoff, der sich beschreiben ließ. Auch an anderen Orten versuchte man, Beschreibstoff herzustellen, so in Pergamon Tierhaut, auch Pergament genannt, in China Seidenabfälle, die in Wasser zu Faserbrei zerlegt, auf Siebe gegossen und zur Blattbildung getrocknet wurden. Um 100 n. Chr. verwendete man in Korea erstmals in größeren Mengen Pflanzen, deren Zellulose durch Stampfen fein zerteilt, aufgeschwemmt und nach der Blattbildung gepresst und getrocknet wurde. Dieses Verfahrensprinzip hat sich bis heute bei der Papierherstellung bewährt. Da es in Europa, wohin es erst um 1100 gelangte, an Bambus u. ä. Pflanzen mangelte, verwendete man hauptsächlich Lumpen, aber auch Hanf als Grundstoffe für die Zellulosegewinnung. Bald konnte jedoch nach der Erfindung des Buchdrucks, der Industrialisierung sowie der Ausweitung von Handel und Verwaltung der Bedarf an Schreibpapier und Verpackungen nicht mehr gedeckt werden. Der Mangel an den bisher verwendeten Rohstoffen und die teure manuelle Herstellung bremsten den Einsatz. Deshalb widmeten sich kluge Köpfe in mehreren Ländern sowohl der Weiterentwicklung des Herstellungsprozesses als auch dem Einsatz anderer Ausgangsstoffe.
In Sachsen, wo bereits seit dem 16. Jahrhundert Papiermacherei betrieben wurde, befasste sich der Mechaniker Friedrich Gottlob Keller neben zahlreichen anderen Erfindungen auch mit Zerkleinerungstechniken des in der Umgebung in großen Mengen vorhandenen Holzes, woraus er 1843 schließlich durch Schleifen einen verwendbaren Ausgangsstoff für die Papierherstellung gewann. Bis dieses Holzschliffverfahren mit hoher Ausbeute industriell genutzt werden konnte, bedurfte es jedoch noch zahlreicher weiterer Schritte. Immerhin hielt Keller 1845 die erste nach seinem patentierten Verfahren vorwiegend aus Holzschliff hergestellte Zeitung der Welt in der Hand. Finanziellen Nutzen konnte er leider daraus nicht ziehen. Für die Region brachte das Verfahren jedoch einen bedeutsamen Aufschwung. Von den zahlreich vorhandenen Sägemühlen stellten einige auf die Holzschleiferei um und produzierten nun unter anderem für die erste Sebnitzer Papierfabrik den Rohstoff.
Nicht zuletzt initiierte diese Entwicklung 1870 auch die an der Königlich Sächsischen Technischen Bildungsstätte in Dresden begonnene Ausbildung auf dem Gebiet der Textil- und Papiertechnologie, wie die an der Exkursion teilnehmenden Studierenden der heutigen TU Dresden erfahren konnten. Das inzwischen massenhaft und ganz selbstverständlich genutzte Papier erhält aus dieser Perspektive einen völlig anderen Stellenwert.